Verbrennungen und Verbrühungen

Unfälle mit Kindern vermeiden
Kinder und Lagerfeuer

Das Lagerfeuer im Garten, ein Grillabend oder die heiße Teetasse in der Küche: Im alltäglichen Familienleben lauern einige Gefahren für Kinder, bei denen sie sich verbrennen oder verbrühen können. Ein Interview mit Dr. Karl Bodenschatz, ärztlicher Leiter der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Klinikum Nürnberg-Süd.

„Die Hälfte aller Unfälle ließe sich vermeiden“

Auf welche Art von Unfällen gehen Verbrennungen und Verbrühungen bei Kindern hauptsächlich zurück?
Wir behandeln in der Kinderchirurgie des Klinikums Nürnberg-Süd rund 200 solcher Fälle pro Jahr. Bei über 90 Prozent handelt es sich um Verbrühungen, die vor allem zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr passieren. Die klassische Verletzung ist, dass Kinder sich mit einem heißen Getränk wie Tee oder Kaffee überschütten. Die Eltern stellen ein Heißgetränk ab und denken nicht daran, dass das Kind in der Nähe ist. Oder sie tragen ihr Kind auf dem Arm und trinken dabei. Dann greift das Kind in seiner Unbedachtheit in die Tasse. Es kommt aber auch vor, dass das für das Kind bestimmte Getränk zu heiß ist und es sich beim Trinken überschüttet. In den restlichen zehn Prozent der von uns behandelten Fälle handelt es sich um Kontaktverbrennungen, etwa am Herd oder Kaminofen.

Ab welcher Temperatur verbrühen sich Kinder an heißen Getränken?
Ab etwa 50 Grad. Wenn der Kaffee aus der Maschine kommt, ist er über 60 Grad heiß. Das Problem ist: Schon mit einer Tasse Kaffee oder Tee können 20 bis 30 Prozent der Körperoberfläche eines Kindes geschädigt werden. 150 Milliliter können zu einer Schwerstverletzung führen.

Ihren Schilderungen nach klingt es, als seien es vermeidbare Unfälle.
Mindestens die Hälfte dieser Unfälle ließe sich vermeiden. Eltern unterschätzen die Gefahr von kleinen Flüssigkeitsmengen. Zudem ist die Küche Gefahrenquelle Nummer eins und zugleich der Ort des Familienlebens. Auch Kaminöfen sind oft ungeschützt, weil man anderthalb Meter Abstand für ein Gitter braucht. In vielen Wohnungen fehlt dafür der Platz.

Schutz vor Verbrennungen/Verbrühungen

Was sollten Eltern in der Küche beachten?
Sie sollten ihre Kinder von Flüssigkeiten fernhalten. Das heißt leider auch, dass kleine Kinder nicht mitkochen können und in der Küche immer beaufsichtigt werden sollten. Wichtig ist das Herdgitter. Es verhindert viele Verletzungen in der Küche. Und die Arbeitsplatte sollte für Kinder tabu sein.

Im Sommer ist das Lagerfeuer bei Familien beliebt. Aus Ihrer Erfahrung heraus: Sollten sie lieber darauf verzichten?
Nicht unbedingt, sofern die Eltern dabei sind. Wir behandeln hin und wieder mal eine Kontaktverletzung kleineren Ausmaßes. Häufiger sehen wir Kinder, die in die noch heiße Asche springen und sich Füße oder Oberschenkel verbrennen. Ein Lagerfeuer ist daher besonders am nächsten Tag gefährlich.

Auf was gilt es beim Grillen zu achten?
Flüssige Brandbeschleuniger wie Spiritus bedeuten eine enorme Gefahr. Es entstehen Gase, die neben den Grill verfrachtet werden können. Selbst wenn das Kind anderthalb Meter entfernt steht, kann es von einer Explosionswolke getroffen werden. Wir behandeln in Deutschland pro Jahr 200 solcher Fälle. Diese Kinder werden schwerstens verletzt, dabei ließen sich diese Unfälle komplett vermeiden. Schließlich gibt es auf dem Markt genügend Alternativen wie Grillanzünder in fester Form und Anzündkamine, in die man die Kohle einfüllt, bis sie glüht.

Erste Hilfe bei Verbrennungen

Wie können Eltern Erste Hilfe leisten, wenn sich das Kind verbrennt oder verbrüht?
Bei kleinen Flächen wie einer Kontaktverbrennung am Finger kühlt man die Stelle mit lauwarmem Wasser, um den Schmerz zu lindern. Wenn große Flächen betroffen sind, ist das nicht möglich, weil das Kind auskühlen würde. Es schadet dann sogar, denn die Verbrennung wird tiefer, weil die Hautdurchblutung abnimmt. Daher sollte man große Flächen mit einem Wundverband steril abdecken. Wenn die Fläche relevant ist, sollten Eltern sofort den Rettungsdienst rufen.

Ab wann ist eine Fläche relevant?
Bei über zehn Prozent der Körperoberfläche, aber das können Eltern natürlich schwer einschätzen. Wenn zum Beispiel ein ganzer Arm, der Oberkörper oder die Hände beteiligt sind, muss das Kind im stationären Bereich versorgt werden, und zwar am besten in einem Verbrennungszentrum, wie wir es sind. Im Klinikum Nürnberg-Süd decken wir Nordbayern ab. Schwerstverletzte Kinder werden nach einer Erstversorgung bei uns zur weiteren Behandlung nach München gebracht.

Wie therapieren Sie betroffene Kinder?
Unser Ziel ist es, dass möglichst wenig Narbe entsteht, weil sie es ist, die später Probleme bereitet und die Bewegung etwa von Schulter oder Finger beeinträchtigen kann. Es geht also nicht rein um Ästhetik. Wird die Stelle schlecht behandelt, kommt es zum Nachtiefen dieser Verbrennungsareale durch Entzündungen, zu mehr Hautverlust und einer größeren Narbe. Wir reinigen die Stelle und decken sie steril ab, um Infektionen zu verhindern. Im weiteren Verlauf wird die Wunde erneut gereinigt. Bei größeren Verletzungen bringen wir einen Hautersatz auf, um eine möglichst schnelle Wundheilung zu garantieren. Je schneller die Stelle abheilt, umso weniger Narbe entsteht.

Behandlung von Brandverletzungen

Diese Behandlung klingt schmerzhaft.
Durch die Verbrennung liegen die Nervenfasern frei, was zu Schmerzen führt. Uns ist es wichtig, das Kind nicht nur bei der ersten Behandlung zum Teil oder komplett zu narkotisieren, sondern auch beim Verbandswechsel. Das ist leider nicht überall gang und gäbe. Deshalb legen wir viel Wert auf eine Behandlung durch spezialisierte Ärzte. Eine Reinigung oder einen Verbandswechsel ohne adäquate Schmerztherapie durchzuziehen, kann Kinder traumatisieren. Sobald wir die Wunde mit Verbandsmaterial oder Kunsthaut abgedichtet haben, ist das Kind schmerzfrei.

In welchen Fällen führen Sie Hauttransplantationen durch?
Wenn die Verbrennung so tief ist, dass Haut verloren ist, und die Fläche so groß ist, dass sie nicht spontan heilen kann. Wir transplantieren Haut, um die Narbensituation zu verbessern. Die transplantierte Haut macht eine funktionell bessere und stabilere Narbe.

Wie lange haben Kinder mit den Folgen einer Verbrühung oder Verbrennung zu tun?
Das hängt stark von der Lokalisation ab. Meistens handelt es sich leider um Bereiche, die in Bewegung sind oder die über Gelenke gehen. Die Knochen wachsen schneller als die Narbe. Das begleiten wir durch Korrekturoperationen oder Physiotherapie, je nachdem, was erforderlich ist. Wir behandeln die jungen Patienten bis zum Ende ihres Wachstums, also meist bis zur späten Jugend.
 

Interview: Kerstin Smirr, ELMA #16 Juni/Juli 2022

Tipps zur Prävention von Verbrennungs- und Verbrühungsunfällen finden Eltern unter www.kindersicherheit.de. Informationen bietet darüber hinaus der Verein „Paulinchen“, der Familien mit brandverletzten Kindern berät: www.paulinchen.de.

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