Wunsch-Großeltern
Vor neun Jahren hat Jutta Endres (69) eine ehrenamtliche Patenschaft für eine Familie mit neugeborenen Zwillingen übernommen. Die beiden Mädchen sind ihr längst genauso ans Herz gewachsen wie ihre eigenen Enkelkinder.
„Frauenpower!“ Jutta Endres lacht und gießt den so benannten Tee in eine Kanne. Wir sitzen in ihrer gemütlichen Küche vor geblümten Tassen und reden über Enkelkinder. Drei leibliche haben die 69-Jährige und ihr Mann, doch diese leben leider seit langem weit weg und sind mittlerweile schon groß. „Wir konnten nie wirklich Großeltern sein“, sagt sie. Zumindest nicht solche, die unmittelbar beteiligt sind am Aufwachsen. Also kam ihr die Idee: „Ich könnte mich doch um andere Kinder kümmern.“
Über das Nürnberger Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) und deren Projekt „Familienpatenschaften“ traten Martha und Sophia* (*Name geändert) in das Leben der Endres’. Die Eltern des Zwillingspärchens stammen aus Osteuropa. „Sie sind beide berufstätig und haben niemanden aus der Familie hier“, berichtet ihre Patin. Sie suchten jemanden zur Entlastung, jemanden mit Zeit zum Spazierengehen, Spielen oder Vorlesen. All jene Dinge, die Jutta Endres mit den eigenen Enkelkindern nur selten machen konnte. „Sachen, die man wertschätzt“, sagt sie. Die man als schöne Erinnerung bewahrt. Wie jene an ihre Großmutter, mit der sie als Kind gemeinsam nähte und bastelte.
Einmal wöchentlich verbringen Martha und Sophia Zeit mit ihrer Patenoma. Im Säuglingsalter waren sie viel spazieren, daraus wurden Besuche auf dem Spielplatz, Toben im Garten, gemeinsame Ausflüge. Momentan lernt die 69-Jährige Brettspiele wie „Schnappt Hubi!“ kennen. „Etwas nervig, aber grad sehr angesagt“, schmunzelt Jutta Endres. Im Gegenzug brachte sie ihren Patenenkeln zum Beispiel bei, wie man Eier trennt und Plätzchen backt – ein festes Ritual inzwischen zur Vorweihnachtszeit. Man spürt: Hier ist über die Jahre eine enge Verbindung gewachsen – ganz ohne Blutsverwandtschaft. Auch zu den Eltern der Mädchen.
„Die Mutter ist fast wie eine Tochter für mich. Wir sehen uns oft und telefonieren viel.“ Wie kommt der erweiterte Familienkreis mit ihrer Paten-Rolle klar? „Für die Omas der Mädchen ist es schwierig“, meint die Nürnbergerin. Weil diese ihre Enkelinnen sehr viel weniger, mitunter nur einmal im Jahr, sehen können. Für ihren Sohn sei es nie ein Problem gewesen. Und die leiblichen Enkel? Die mögen die Zwillinge. Und als sie selbst noch klein waren, fanden sie es toll, wenn sie bei ihren Besuchen in Nürnberg alle zusammen in den Tiergarten gingen.
Manchmal schlägt Jutta Endres Unverständnis über ihr Engagement entgegen, etwa dergestalt: „Sich um fremde Kinder kümmern, da könnt ich mir was Schöneres vorstellen.“ Sie aber möchte die Erlebnisse mit Martha und Sophia nicht missen. Und sie findet es schön, etwas weitergeben zu können: „Wenn Kinder mit Kontakt zu unterschiedlichen Generationen und Meinungen aufwachsen, ist das doch eine Bereicherung!“ Sie könnte sich vorstellen, noch eine weitere Patenschaft zu übernehmen. „Frauenpower“, der Tee passt in der Tat gut zu Jutta Endres.
ISKA Familienpatenschaften
ISKA vermittelt seit 20 Jahren Familienpatenschaften in Nürnberg. Das Projekt richtet sich an Familien, die besonders belastet sind und/oder vor Ort kein Netzwerk haben, das Unterstützung leisten könnte. Wichtig zu wissen: Familienpatenschaften sind nicht als Akuthilfe gedacht, etwa, wenn ein Elternteil kurzfristig erkrankt und dringend eine Haushaltshilfe benötigt wird. Auch mit dem Modell „Leih-Großeltern“ dürfen die Patenschaften nicht verwechselt werden. Denn: Paten können Menschen aller Altersklassen werden, nicht nur Senioren. Was man für dieses Ehrenamt mitbringen sollte: Offenheit, sich auf andere Familienwelten einzulassen, und die Bereitschaft, Familien/Kindern regelmäßig etwas Zeit zu schenken. ISKA koordiniert das Angebot, bringt Ehrenamtliche und Familien zusammen, berät und begleitet diese beim ersten Kennenlernen und darüber hinaus.
Kontakt
Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA gGmbH)
Telefon (09 11) 92 97 17-12
iska-nuernberg.de/fampa
Text und Foto: Manuela Prill