Großeltern vor Gericht
Oma und Opa – allein der Klang dieser Worte klingt nach Geborgenheit, Keksduft und Kakao. Nach freien Abenden für die Eltern und ein bisschen Regelausdehnung in der Zwischenzeit. Leider ist das für viele nur ein Stereotyp. Denn in Wahrheit hatten bereits die Hälfte aller Eltern Konflikte mit den Großeltern, wenn es um die Enkel geht. Besonders schlimm ist das oft nach einer Trennung bzw. Scheidung. Denn Großeltern haben Rechte. Und die können sie auch gerichtlich durchsetzen.
Generationenkonflikt
„Habt ihr keine festen Essenszeiten?“, „Ist er immer noch nicht sauber?“, „Muss das Kind in dem Alter schon am Tablet sein?“, „Ein kleines Kind braucht einen Mittagsschlaf“, „Kein Wunder, dass sie keinen Hunger hat, wenn du sie den ganzen Nachmittag mit Fruchtschnitten fütterst“, diese Liste könnte bis ins Unendliche fortgeführt werden. Es sind oft gut gemeinte Ratschläge, die allerdings nicht immer gut ankommen. Das kann ganz schön nerven und letztendlich auch zu Streit führen bzw. zu richtigen Generationenkonflikten, das hat die Studie einer amerikanischen Uni ergeben. Hauptknackpunkt ist die Disziplin mit fast 60 Prozent, gefolgt vom leidigen Thema Essen oder Punkten wie Gesundheit und Sicherheit.
Streitthema Erziehung
„Meine Schwiegermutter hat mal unsere kleine Tochter nicht angeschnallt und ist mit ihr so auf der Autobahn gefahren“, erinnert sich Tina mit Grauen an eine Konfliktsituation mit den Großeltern. „Und dann haben sie noch nicht einmal verstanden, warum ich mich so aufgeregt habe. Ihr Argument war: Die Kleine wollte das nicht.“ Das war das Ende gemeinsamer Ausflüge und der Beginn heftigen Streits. Oft sind es aber auch die alltäglichen Dinge, die zur Vergiftung der Atmosphäre beitragen. Unangemessene, nicht abgesprochene Geschenke, missbilligende Blicke, mangelndes Verständnis … und auf der anderen Seite ein Vorziehen der anderen Großeltern, ein dauerndes Beaufsichtigen während der gemeinsamen Zeit oder ein völliges Ignorieren der Großelternwünsche zum Beispiel in Bezug auf Besuche oder gemeinsame Ausflüge. Die Liste ist lang und so individuell wie die Familienkonstellationen.
Umgangsrecht der Großeltern
Das Problem ist: Spannungen zwischen Eltern und Großeltern führen oft auch zu Verunsicherungen und Loyalitätskonflikten bei den Kindern, speziell dann, wenn die einen schlecht über die anderen reden oder wenn Oma und Opa die Regeln der Eltern nicht akzeptieren beziehungsweise geflissentlich ignorieren. Kinder spüren ganz gut, was da dahintersteckt – ob es sich wirklich nur um eine liebevolle Ausnahme handelt oder ob hier Konflikte schwelen. Das Problem ist: Selbst wenn man es für besser hielte – man wird die Großeltern nicht so einfach wieder los. Denn laut § 1685 BGB steht ihnen ein Umgangsrecht mit den Kindern zu – vorausgesetzt, das Kindeswohl ist nicht gefährdet. Letztendlich können Oma und Opa den Umgang gegen den Willen der Eltern sogar erzwingen und, so die Erfahrung der Fachanwältin für Familienrecht, Jutta Deller: Sie tun es auch immer häufiger. Klagen können übrigens nur die Großeltern, das Kind hat kein Anspruchsrecht, ihm bleibt nur der Weg übers Jugendamt, das dann versucht, zu vermitteln.
Großelternpflicht
Heißt das, Oma und Opa haben nur Rechte, aber keine Pflichten? Eine Erziehungspflicht zum Beispiel haben sie nicht. Sie müssen also nicht, wenn sie nur ab und zu einen Nachmittag mit dem Kind haben, mit diesem dann die ganze Zeit Hausaufgaben machen. „Sollte ein Umgang zwischen Enkeln und Großeltern stattfinden, so trifft die Großeltern aber eine Wohlverhaltenspflicht“, erklärt Jutta Deller. „Das bedeutet, dass alles zu vermeiden ist, was das Kind in einen Loyalitätskonflikt bringen könnte.“
Großeltern sind also gut beraten, wenn sie sich darauf konzentrieren, eine gute Beziehung zu den Enkeln aufzubauen, ohne die Autorität der Eltern zu untergraben oder sich zu Kommentaren über sie hinreißen zu lassen. Und manchmal tut es auch beiden Seiten gut, mal ein Auge zuzudrücken.
Die Bundesinitiative Großeltern (BIGE) setzt sich dafür ein, die Beziehungen zwischen Kindern, ihren Eltern und Großeltern auch nach Trennung, Scheidung und anderen Familienkonflikten nicht abbrechen zu lassen. "Der liebevolle Umgang von Großeltern und Enkelkindern fördert die gegenseitige und seelische Entwicklung der Kinder und hält auch die Großeltern fit und gesund." grosselterninitiative.de
Text: Simone Blaß