Heldenreich: Marcel Benker
Marcel Benker liebt Volksmusik. So richtig mit Haut und Haar und Herzblut. Seine Leidenschaft fürs Singen und Akkordeonspielen präsentiert der Oberfranke aus Himmelkron auch schon recht profimäßig: auf Bühnen und Festzelten quer durch die Region, letzten Sommer sogar bei Stefan Mross im Fernsehen. Ungewöhnlich für einen 16-Jährigen. Das hat uns ELMAs natürlich neugierig gemacht.
"ich hör nur Volksmusik"
Ein Metallica-Shirt haben wir offen gestanden nicht erwartet. Schubladendenken – erwischt! Na ja, was wir bislang klamottenmäßig von Marcel kannten, sind Lederhose, weißes Hemd und Trachtenjoppe. Dergestalt sieht man ihn in den YouTube-Videos seiner Auftritte, so präsentiert er sich auf seiner Homepage. Marcel grinst. „Das T-Shirt hab’ ich mir gekauft, weil’s im Sale war, sieht schön aus, aber Fan bin ich nicht, ich hör’ wirklich nur Volksmusik.“ Letzteres ist ein Satz, den man von Teenagern doch eher selten hört. Ein Satz, für den es in dem Alter sicher eine gute Portion Selbstbewusstsein braucht, oder? Weil man wahrscheinlich anders ist als die meisten anderen Gleichaltrigen? „Es kann schon ein Auslöser für Mobbing sein“, meint Marcel.
Klischee-Schubladen
An seiner Realschule in Gefrees sei ihm aber nichts dergleichen passiert. Wohl auch, weil er gleich von Anfang an in der fünften Klasse offensiv damit umgegangen sei, erzählt der 16-Jährige, der inzwischen eine Ausbildung zum Mechatroniker macht. „Die Leute haben es akzeptiert, manche fanden es auch cool, weil ich eben nicht so bin wie die anderen.“ Klar, in Klischee-Schubladen wurde er durchaus gesteckt – er war halt der, der auf „Blasmusik“ abfährt. „Hat mich aber nicht gestört. Man muss einfach zu dem stehen, was man mag“, findet Marcel. Mit Blasmusik hat’s trotzdem nichts zu tun.
"zu dem stehen, was man mag"
Sein Instrument ist das Akkordeon, das war ihm schon als zweijähriger Zwetschger klar. „Ich hatte ein Kinderakkordeon und ich hab’ immer so getan, als ob ich spielen könnte.“ Der gebürtige Oberpfälzer und seine kleine Schwester sind mit Volksmusik aufgewachsen, sie war und ist im Hause Benker immer zu hören. Papa Martin ist großer Fan, selbst aber kein Musiker. Er war es, der sich auf die Suche nach einem Musiklehrer machte, als der Filius mit sechs Jahren endlich „richtig“ Akkordeon spielen wollte. Dazu kam mit elf dann noch die Steirische Harmonika. Mist, schon wieder erwischt: Gibt’s denn da einen Unterschied? Marcel hat Geduld mit uns Unwissenden. „Das Akkordeon hat Tasten wie bei einem Klavier, die Steirische Harmonika nur Knöpfe auf beiden Seiten. Der Sound entsteht immer durch Zug und Druck.“
"das war echt gewaltig"
Dass der junge Himmelkroner ganz ordentlich mit der „Quetschen“ umgehen und noch dazu singen kann, hat sich irgendwann rumgesprochen. Mit ungefähr zwölf kam die erste Anfrage, vom Makrelenfest aus der Oberpfalz: Kannst du mal so vier, fünf Stunden bei uns spielen? Ein Bühnenrepertoire hatte Marcel damals noch nicht, also stellte er innerhalb von wenigen Wochen eins zusammen – Volkstümliches, Schlager, Bierzeltklassiker – und fand sich schließlich mit Schlotterknien vor seinem ersten öffentlichen Publikum wieder. „Ich war soo aufgeregt, mir war richtig schlecht, das war echt gewaltig.“ Heute, eine Menge Auftritte später, kann Marcel darüber lachen. Nervös sei er zwar immer noch ein bisserl, aber: „Ein einziges Lied, dann ist das komplett weg und man hat nur noch Spaß!“ Ziemlich schnell hat das Nachwuchstalent auch kapiert, dass es auf Festbühnen nicht reicht, nur gute Musik abzuliefern. Was man zwischen den Liedzeilen drauf haben muss: mit den Leuten reden, hie und da einen launigen Spruch, ein Prosit der Gemütlichkeit raushauen, spontan auf Zuschauerrufe reagieren oder einen Witz erzählen. Die Leute wollen schließlich entertaint werden.
„Cordula Grün“, „Atemlos“, „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ – solche Gassenhauer spielt Marcel, weil das Publikum sie hören will. Sein persönliches Herzblut hängt aber an der ursprünglichen, volkstümlichen Musik, ohne allzu viel modernen Schnickschnack. „Wenn’s komplett elektronisch wird, geht es in eine ganz andere Richtung“, betont er. Pur ist ihm lieber – weswegen er sich musikalisch eher bei traditionellen Zillertaler Musikanten beheimatet fühlt als etwa beim Alpenrocker Andreas Gabalier.
Erstes Album im Frühjahr
Ein großes, österreichisches Musiklabel ist längst auf den talentierten Oberfranken aufmerksam geworden, ein erstes Album soll heuer im Frühjahr auf den Markt kommen. Wir sind weiter neugierig: Schreibst du auch eigene Lieder? „Ja, ich habe eine Melodie komponiert, der Text stammt von einem anderen Musiker, der Song soll mit auf meine CD“, verrät der Musikus. Der bisherige Höhepunkt und wohl auch Booster seiner noch jungen Karriere: ein Fernsehauftritt bei der ARD-Unterhaltungsshow „Immer wieder sonntags“ – eine Art „Top of the Pops“ der Volks- und Schlagermusik. Moderator Stefan Mross sucht darin alljährlich einen „Sommerhitkönig“, Nachwuchskünstler können sich mit einem eigenen Song bewerben und treten gegeneinander an. Für Marcel und sein Lied „Endlich wieder Sommer“ hat’s am Ende beim Zuschauervoting zwar nicht gereicht, „eine krasse Erfahrung“ war der TV-Ausflug dennoch für den 16-Jährigen. Das Ziel, Profimusiker zu werden, verfolgt Marcel weiterhin. „Es wäre mein Traum, von der Musik leben zu können. Aber Corona hat mir gezeigt, dass sich für Künstler schnell sehr viel ändern kann. Die Ausbildung mache ich auf jeden Fall zu Ende, egal was kommt.“
Text: Manuela Prill, ELMA #14 Februar 2022