Es gibt für jedes Kind das richtige Buch

Interview mit Benni Cullen - Lehrer und Bookfluencer
Benni Cullen

Benjamin Donath ist Mittelschullehrer in Fürth. Als Benni Cullen ist er ein cooler Typ, der auf Social Media über Bücher für Jugendliche bloggt. Im Internet wie im Real Life kämpft er gegen das uncoole Image der Leseratte – mit Erfolg.

Mit wem spreche ich denn gerade, mit Herrn Donath oder mit Benni Cullen?
Du darfst mich gerne Benni nennen. Cullen sind die Vampire aus Twilight. Das hat damals meine Leseliebe entfacht.

Twilight ist jetzt aber nicht Deutschlehrer-Literatur.
Meine Deutschlehrerin hat tatsächlich Twilight mitgelesen. Die hat die Bücher gekauft und uns ausgeliehen. Wir hatten dann zwei Tage Zeit, die zu lesen.
Ich höre oft: Viele Jugendliche können nicht mehr richtig lesen, alle schauen nur noch auf ihre Bildschirme. Die Statistik sagt aber etwas anderes. Demnach lesen gar nicht weniger Kinder regelmäßig als vor ein paar Jahren.
Wenn ich auf Buchmessen moderiere, sehe ich, wie viele Kinder begeistert sind. Und dann komme ich in meine Klasse, und dort ist es das komplette Gegenteil. Es gibt eine Spaltung zwischen denen, die super viel lesen, und denen, die gar nicht lesen. Die müsste man erreichen, indem man in der Schule nicht immer die gleichen Bücher liest.
    
Geht es darum, statt Deutschklassikern erstmal überhaupt irgendwas zu lesen, und sei es Twilight?
Ja, warum nicht? Bei mir gibt es neben der Klassenlektüre jedes Schuljahr ein Buch, das sich die Kids aussuchen dürfen. Und wer bin ich, dass ich aus irgendwelchen Gründen zu einem Buch nein sage? Zumindest solange das zu der Altersgruppe passt. Wenn es ein Fantasy-Titel ist, ist es ein Fantasy-Titel. Ich hatte auch schon Schüler, die in der 8. Klasse ein Kinderbuch gelesen haben, weil die das total cool fanden.

Wenn es nicht um Hochkultur geht, worum geht es dann? Manches müssen wir nicht mehr können, Stricken zum Beispiel. Die Welt ist heute so anders – sind jetzt nicht andere Kompetenzen wichtiger als Lesen, wie Umgang mit Fake-Videos und Social Media?
Ich will Social Media nicht verteufeln. Ich konsumiere das selbst, und das ist fein. Ich glaube aber, Lesen ist so etwas Grundlegendes. Unabhängig vom Buch ist es so wichtig, dass Kinder und Jugendliche lesen können, und zwar nicht nur irgendwelche Schlagworte, sondern Texte. Das braucht man im Job und im Alltag, dass man auch den Sinn eines Textes versteht. Und wenn man das nicht kann, dann haben wir ein Problem.

Da bewegt es sich hin?
Ich finde schon. Ich habe in der 7. Klasse Kinder, die noch nie ein Buch gelesen haben, die die Erfahrung gemacht haben, dass sie eben nicht gut lesen können. Und nicht die Erfahrung gemacht haben, dass es für jeden den passenden Text gibt. Damit meine ich nicht nur Literatur, sondern auch Sachbücher, Zeitschriften, Mangas, Comics. Und auch auf Social Media muss man lesen können – auch auf TikTok muss man lesen können.

In den Sozialen Medien bloggen junge Menschen unter #BookTok und #Bookstagram, du bist auch vertreten. Ist Social Media also einmal nicht Teil des Problems?
Ich glaube, es ist Teil der Lösung. Ich kann ihnen damit näherbringen, dass das Internet nicht nur aus irgendwelchen Comedy-Videos besteht, sondern dass es da auch eine Community gibt, die sich über Bücher austauscht.

Also so ein Ü30-Mittelschullehrer erzählt Schülern, was cool ist auf TikTok, und bringt sie damit zum Lesen.
Es funktioniert, wenn sie sehen, dass ich selber auf Bookstagram bin und mir einige Leute zuhören. Und es funktioniert, wenn man sich mit ihnen Posts anschaut von Leuten, die in ihrem Alter sind. Wenn sie sehen, dass da eine 17-Jährige täglich über ihre Bücher postet und viele Likes und Kommentare bekommt, dann funktioniert es nochmal besser.

Wie können Eltern, die vielleicht nicht in dieser coolen Bubble sind, passende Literatur für ihre Kinder finden?
Es wäre cool, sich anzuschauen, was andere Jugendliche lesen. Allerdings geht es in den ganzen New-Adult-Büchern oft ein bisschen expliziter zur Sache. Da machen sich manche Eltern Sorgen. Es gibt aber auch New-Adult-Bücher, die nicht ganz so explizit sind. Wenn man sich als Eltern ein bisschen in diese Bubble, zum Beispiel auf Instagram, begibt, dann hat man schnell raus, was geeignet ist und was nicht.

Noch ein bisschen Leserservice: Was wird der nächste Trend?
Es wird wieder in die Crime-Thriller-Richtung gehen.

Die drei ???
(lacht) Die gibt’s ja immer noch. Aber es kommt jetzt eine Fernsehserie heraus: A Good Girl’s Guide to Murder. Ich könnte mir vorstellen, dass aufgrund der Serie ganz viel in dieser Richtung kommt.

Interview: Philip Artelt

benni-cullen.de
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