Einsam an Weihnachten

... und wer da kommt, der soll willkommen sein.
Einsam an Weihnachten

Text Simone Blaß, ELMA #13 Dezember 2021

Weihnachten … Schon der Klang des Wortes löst Wohlbefinden aus, Wärme, Licht, Freude, Liebe … STOP! Mal abgesehen davon, dass Weihnachten das Familienfest ist, an dem am häufigsten heftig gestritten wird, so ist es auch das Fest, das einsamen Menschen mal so richtig schön klar macht, dass da keiner (mehr) ist.

Gemeinsam statt einsam

Da fallen einem sofort Obdachlose ein, alte Menschen, deren Kinder ihr eigenes Leben leben und sie bestenfalls mit einer lieblosen Postkarte abspeisen, und natürlich die, die ihren Partner, ihre Eltern oder vielleicht sogar ein Kind verloren haben. Die nicht wissen, wie sie diese dunkle Zeit, in der auch die Freunde meist gut beschäftigtsind, überstehen sollen. Für diese Menschen gibt es Angebote, die man in Gemeindeheften, auf den Seiten der zahlreichen Wohlfahrtsverbände und Vereine oder durch eine Nachfrage bei den Selbsthilfegruppen kurz vor Weihnachten relativ leicht herausfinden kann. Ein klassisches Beispiel ist die Veranstaltung im Sebastian-Fackelmann-Haus in Hersbruck. Sie steht unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“, geht von 15.30 bis 18.00 Uhr und es wird zusammen gegessen, an der Feuerschale geredet, und wer Lust hat, darf auch etwas beitragen. Etwas Musikalisches zum Beispiel. Ganz ohne Zwang. Aber mit Anmeldung.

Keine heile Familie

Doch neben den offensichtlichen Beispielen von möglicher weihnachtlicher Tristesse gibt es noch eine ganz andere gesellschaftliche Gruppe, die mit einer unglaublichen Einsamkeit in den Weihnachtstagen kämpfen muss. Und an die bei all den Veranstaltungen irgendwie niemand denkt: frisch getrennte Eltern, die damit klarkommen müssen, dass die Kleinen die Hälfte der Feiertage beim anderen sind. Möglicherweise sogar bei dessen „neuer“ Familie. Heile Welt unter dem Lichterkranz, während man selbst nicht viel mehr zu bieten hat als verweinte Augen. Diese Zielgruppe fällt komplett hinten runter und muss sich letztendlich um sich selbst kümmern.

Genau wie Singles, die keine Lust haben, irgendwo das fünf 46te Rad am Wagen abzugeben. Oder auch gar nicht dazu eingeladen wurden. Wer Glück hat, hat Alternativen im Freundeskreis, feiert vielleicht einfach mal ganz anders. Wer einsam bleibt, der kann nur sehen, dass er das Beste daraus macht. Indem er zum Beispiel den Nachtgottesdienst besucht – also den ohne erwartungsfrohe Familien. Und sich die Möglichkeit gibt, in der Gemeinschaft innerlich zur Ruhe zu kommen. Oder sich ehrenamtlich engagiert und indem er dafür sorgt, dass Weihnachten für andere zum Fest wird, von der Welle vielleicht sogar mitgetragen wird.

Bedrückendes Weihnachten

Sich selbst verwöhnen, sich etwas Gutes tun, in Ruhe in alten Fotoalben stöbern, sich Zeit nehmen für Dinge, die sonst hinten runterfallen – so der Appell in den klassischen Frauenzeitschriften. Wer’s kann, hat Glück. Wer’s nicht kann, läuft Gefahr, ein paar Tage zu erleben, die dermaßen still sind, dass es einem extrem laut vorkommt. In denen die ein oder andere Träne fließt, manchmal auch zum Sturzbach wird. Was reinigend sein kann.

Wenn es allerdings zu heftig wird, dann sollte man sich Hilfe suchen, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge, bei der die Hörer 24/7 besetzt sind. Wobei die Erfahrungen dort eher die sind, dass die Menschen nach Weihnachten anrufen. Dann, wenn das Fest der Liebe vorbei ist und von Liebe weit und breit gar keine Spur war. Und auch, wenn man es vor lauter besinnlicher Berieselung kaum glauben mag: Es gibt Christen, denen das dauernde Gedudel gewaltig auf die Nerven geht, die Weihnachten einfach nicht leiden können. Vielleicht auch, weil es ungute Erinnerungen hochspült an frühere Weihnachtsfeste, in denen der Friede durchgesetzt wurde – wenn nötig mit Gewalt.

Action gegen die Stille

Wer es sich leisten kann, verreist oder rettet sich von einer Veranstaltung in die nächste – vom Zirkus Flic Flac bis hin zu Konzerten und Ballett wird zumindest in den größeren Städten viel angeboten. Eventuell gibt es auch Menschen aus anderen
Religionen im Freundeskreis, die in diesen Tagen ebenfalls viel Zeit haben und sich freuen, wenn man gemeinsam etwas unternimmt. Weihnachten ist für einsame Menschen oder solche, die zwar nicht alleine sind, aber sich einsam fühlen – was durchaus auch in einer Beziehung der Fall sein kann – die brutale Konfrontation mit dem (vermeintlichen) Glück anderer. Und kann zur Folge haben, dass sich Menschen innerlich komplett zurückziehen, leiden, sogar an Selbstmord denken. Da kann es durchaus sinnvoll sein, in seiner Umgebung mal ein bisschen genauer hinzusehen und hinzuspüren, wenn es um den Heiligen Abend und seine teils brutalen Geschwister Feiertage und Silvester geht.

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